Interview mit Imène

Interview Imene (1)

Imène ist Ingenieurin für Verfahrenstechnik und zweifache Mutter. Im Laufe ihres Engagements für positive Erziehung hat sie ihren Job aufgegeben, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Seit kurzem interessiert sie sich leidenschaftlich für Innendesign und hat entschieden, sich hierin ausbilden zu lassen und in diesem Bereich zu arbeiten.

Hallo Imène, danke, dass du mit uns deine Erfahrungen als Frau im öffentlichen Raum teilen möchtest. Wie erlebst du den öffentlichen und den privaten Raum?

Generell bin ich jemand, der öffentliche Orte in Algerien meidet. Die Orte, an denen ich mich am sichersten fühle, sind die Orte, die auch meine Familie besucht, aber auch an diesen Orten fühle ich mich unwohl. Ich tue mein Bestes, mich nicht auf das Geschehen um mich herum zu konzentrieren. Wenn ich rausgehe, ist es meistens, um meine Kinder zum Spielplatz zu bringen. Ich fahre immer Auto, würde aber gerne auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, wenn es die entsprechende Infrastruktur gäbe, die schnell, sauber und vor allem sicher wäre. Mit Sicherheit meine ich, dass einen nicht an jeder Straßenecke Polizisten kontrollieren, dass sich die Menschen draußen untereinander respektieren – vor allem die Frauen. Sicherheit ist ein Gefühl, das einem inneren Wohlbefinden entspringt. Was die Privatsphäre betrifft, denke ich, dass jede Frau ihren eigenen Raum braucht, wo sie sich frei ausdrücken kann, wo sie in Einklang mit ihrem Körper und ihrer Seele ist. Ich lese gerne stundenlang oder nehme an Online-Fortbildungen in meinem Wohnzimmer teil, aber mein Lieblingsort ist zweifellos meine Badewanne!

Gibt es positive oder negative Erfahrungen im öffentlichen Raum, die du gerne mit uns teilen möchtest?

Wenn ich mich ans Meer setze und den Rest einfach ausblende, fühle ich mich wohl. Das ist eines der Mittel, das ich gefunden habe, um im öffentlichen Raum zu entspannen. Zugegebenermaßen, wenn ich manchmal gewisse Gesichter sehe, fühle ich mich sofort unsicher und ich suche das Weite. Möchte man die Lebensqualität der algerischen Frauen, insbesondere im öffentlichen Raum verändern, muss man die Mentalität der Menschen ändern, es hängt alles von uns ab.

Was fehlt deiner Meinung den Frauen im öffentlichen Raum in Algier?

Ich finde, in Algier gibt es im öffentlichen Raum nicht genügend saubere und sichere Orte für Frauen. Meistens ist man auch zeitlich begrenzt. Sich zum Beispiel um sechs Uhr morgens allein in einen Park zu begeben, kann gefährlich sein, man kann physischen oder verbalen Angriffen ausgesetzt sein. Es stimmt schon, dass der algerische Staat vieles macht, um den öffentlichen Raum besser und angenehmer zu gestalten, aber es gibt ein wirkliches Problem in der Bildung und in den Mentalitäten. Als schwangere Frau habe ich miterlebt, wie einige Verkehrsteilnehmer weder Vorfahrtsregeln noch Verkehrszeichen beachten.

Was hältst du von der Schließung öffentlicher Orte während der Pandemie?

Ich finde es wichtig, dass man sich an die Hygienemaßnahmen hält, aber ehrlich gesagt verstehe ich nicht, was es bringt, öffentliche Orte zu schließen, wenn wir gerade dort etwas Luft schnappen können. Während des gesamten Lockdowns hat mein Mann gearbeitet, ich war also den ganzen Tag zuhause und es war echt nicht immer einfach. Da ist viel emotionales Management nötig, selbst die Frauen, die während der Pandemie von ihren Männern geschlagen wurden, mussten alleine damit zurechtkommen. Wir mussten letztendlich die Emotionen des gesamten Haushalts managen, das war echt nicht einfach auszuhalten. Ich denke, dass öffentliche Orte während der Pandemie dazu beitragen können, häusliche Gewalt zu verringen, sie können wie eine Therapie fungieren.